Automatisiertes Werkstückhandling
Beim Kauf eines neuen Bearbeitungszentrums geht man üblicherweise vom Teilespektrum aus, um sich nach der Maschine dann Gedanken über die Werkzeuge und gegebenenfalls die Automatisierung zu machen. Dass es mitunter sinnvoll ist, das Pferd von hinten aufzuzäumen, zeigt sich an der Schraubstockautomation „R-C2“ von Gressel und der „Robobox“ von Spinner Automation: Damit beginnend, investierte Fichtner CNC-Technik in ein Gesamtpaket mit einer fünfachsigen „Spinner U1530“.
„Wir sind eine kleine Firma mit mittlerweile acht Mitarbeitern, mit deren Gründung vor zehn Jahren wir uns auf das Fräsen kleiner, komplexer Sonderteile spezialisiert haben“, berichtet Inhaber Julian Fichtner. „Nach und nach stellten wir uns breiter auf und fertigen heute auch Kleinserien. Bis auf Ausnahmen decken wir dabei technologisch alles ab.“ Fertigungstiefe also. Anspruch sei es, sich mit hochgenauen, filigranen Bauteilen vom Wettbewerb abzusetzen. Neben der Domäne, dem 3- und 5-Achs-Fräsen, entwickelt sich Fichtner auch beim Drehen weiter. Erst kürzlich wurde in eine neue Drehmaschine investiert. Derzeit werden so zu 90, 95 % Frästeile gefertigt, zu 5 bis 10 % sind es Drehteile. „Die Abnehmer dieser Teile stammen hauptsächlich aus dem Sondermaschinenbau. Darüber hinaus bedienen wir ein breites Spektrum aus der Lebensmittelindustrie, der Kosmetikbranche und Medizintechnik.“ Ein Kunde aus dem Sondermaschinenbau sei zum Beispiel eine große Spritzgießerei. Diese war es auch, die zum Initial für das Automationsprojekt werden sollte.
Komplexe Werkstücke automatisieren?
Zugegeben: Bis dahin hatte sich Fichtner bei Investitionen in die Automation eher zurückgehalten. Gleichwohl verfolgte er die Entwicklungen auf diesem Gebiet sehr aufmerksam. „Robotertechnik gibt es ja seit Jahren. Ich habe mir jedoch nie vorstellen können, hier zu investieren, weil die Automatisierung über Prismengreifer lief. Lange Zeit hieß es auch, es lassen sich nur runde Teile automatisieren“, meint er. „Folglich hätte ich meine 5-Achs-Maschine mit einem Prismengreifer bestücken müssen. Wir aber produzieren oft komplexe Einzelteile. Wie hätte ich diese Teile ohne Riesenaufwand aus der Maschine holen sollen?“
Mehrgleisig fahren
Akut wurde das Thema Automation dann durch den Sondermaschinenbauer, der für Spritzgussmaschinen auch Hydraulikkomponenten fertigt. Die Vorgeschichte: „Über Jahre hatten wir diesen Hersteller mit Sonderteilen und Vorrichtungen versorgt. In der Corona-Zeit kam er auf uns zu, ob wir nicht Stahlgussteile für ihn bearbeiten könnten. Diese Teile würden sich auf seinen vollautomatisierten Maschinen nur sehr aufwendig fertigen lassen. Die Idee war, dass wir Stranggusszuschnitte zukaufen, sie bearbeiten und damit seine Fertigung am Laufen halten.“ Für eine Zeitlang nahm Fichtner nun dem Kunden die Bearbeitung ab, damals noch auf zwei Maschinen. Als nach Corona eine neue Entscheidung anstand, war der Sondermaschinenbauer so von der Qualität überzeugt, dass er weiter in Gunzenhausen fertigen lassen wollte. „Mit Guss hatten wir bis dahin nicht allzu viel gemacht. Erst recht keine Serien“, schildert Fichtner einen Teil seiner Überlegungen.“ Nun war er aufgefordert, sein gesamtes Teilespektrum dahingehend zu analysieren, was sich gegebenenfalls automatisieren ließ. Die Überlegung war, mit einer neuen Fertigungszelle die Gussteile als wiederkehrende Kleinserien in der zweiten oder dritten Schicht zu produzieren, tagsüber kommen komplexe Einzelteile auf die Maschine.
Die Lösung aus dem Showroom
Blieb das Entscheidende. Zu diesem Zeitpunkt war Fichtner schon auf die Schraubstockautomation von Gressel gestoßen. Mit großer Begeisterung, wie er betont: „Zu der Zeit war Gressel der einzige Hersteller, der über Schraubstock automatisierte. Die damit mögliche Flexibilität war das Ausschlaggebende: Ich wollte eine Maschine mit diesem System. Gleichzeitig wollte ich möglichst viele Teile puffern.“ Eine Mega-Lösung sei zwar seit Jahrzehnten der Palettenwechsler, „dann hätte ich aber Dutzende Paletten und Schraubstöcke gebraucht, was sehr kostspielig ist.“ In dieser Situation half ein bisschen auch der Zufall: „Ich besuchte nämlich die Hausausstellung von Spinner Automation in Hösbach. Das war noch mitten in der Corona-Zeit. Damals hatte mir mein Kunde schon gesagt: Wenn ich die Serie übernehmen will, müsste ich es bald tun.“ Drei, vier Monate blieben gerade mal Zeit, um eine geeignete Anlage in Betrieb zu nehmen. „Also habe ich kurzerhand eine Automationszelle aus dem Showroom heraus gekauft, bestehend aus einer R-C2-Schraubstockautomation von Gressel sowie einer Robobox und U1530 von Spinner.“ Während das R-C2-System per robotergeführtem R-C2-Modul, R-C2-Zentrischspanner, „Vero-S“-Konsole und 6-Seiten-Station die mannlose 6-Seiten-Bearbeitung ermöglicht, arbeitet die Robobox als universelle Roboterzelle mit fünf Schubladen für die Teileaufnahme. Die U1530 ist als 5-Achs-BAZ in Fahrständerbauweise mit Verfahrwegen von 1530 x 530 x 465 mm (X/Y/Z) ausgeführt. Die Aufstellung und Inbetriebnahme der Zelle – einschließlich der Schraubstockautomation – erfolgten noch in der Frist durch Spinner Automation und BG Werkzeugmaschinen.
Einfaches Handling, einfache Bedienung
Heute analysiert Fichtner in der täglichen Arbeit mit der Zelle zuerst immer die Form eines Rohteils, um das beste Handling zu ermitteln. Es folgt das Ablegen in einer der fünf Schubladen, wofür mitunter Formanlagen gefertigt werden, sodass die Teile passgenau in der Robobox liegen und der Fanuc-Roboter eine exakte Bezugsebene hat. Ausgehend von der Größe seiner Teile hat Fichtner die Ablagebereiche eigens angepasst und in den oberen Schubladen ein kleineres Raster umgesetzt. Sobald die Teile in der Robobox liegen, vereinbart ein Mitarbeiter am Bedienpult die Größe und Position des Bauteils und den zugehörigen Schraubstock. Dazu gehören auch die passenden Backen. Mit der Wahl des Programms kennt der Roboter seine bauteilspezifische Aufgabe. Die U1530, die dafür mit der Konsole zur Adaption der Gressel-Schraubstöcke gerüstet ist, wird nun mannlos von der Robobox mit der R-C2-Automation mit Teilen versorgt. Nach der Bearbeitung werden die Teile wieder in einer Schublade abgelegt. Eine Vorgehensweise, die so bei 90 % der Teile abläuft. In Ausnahmefällen führt ein Mitarbeiter nach dem Holen und Einlegen der Teile noch gewisse Kontrollarbeiten aus. Eingesetzt werden für die mannlose Bearbeitung fünf Schraubstöcke in drei unterschiedlichen Größen. Handeln lassen sich Teile bis zu einem Gewicht inklusive Schraubstock und Backen von 30 kg.
Rund um die Uhr produzieren
Die U1530 ist eine besonders vielseitige Maschine, mit der sich bei Bedarf auch die Rückseiten der Bauteile bearbeiten lassen. Eine Tatsache, mit der sie sich für die Bearbeitung komplexer Teile in der Tagesschicht anbietet. Geht der Mitarbeiter am Nachmittag, hat er die Maschine vorher noch schnell mit der Nullpunktplatte umgebaut, den Roboter gestartet und die Zelle damit für die mannlose Fertigung in der zweiten und dritten Schicht vorbereitet. Steht eine Serie von Gussteilen an, lässt Fichtner die Zelle auch 24 Stunden am Stück laufen. Mannarm, kann sich das schon mal über eine Woche ziehen. Der Mitarbeiter, der die Zelle betreut, bedient auch eine 3-Achs-Maschine. An der U1530 muss er früh nur die Schubladen ausräumen, die zuletzt gefertigten Teile kontrollieren und die Robobox neu bestücken. Aufgrund der langen autarken Maschinenzeiten kann Fichtner auch gut auf Urlaubszeiten oder Ähnliches reagieren.
Komplett fertig in der Schublade
Überraschend im ersten Augenblick ist, dass Fichtner nur wenig mit der 6-Seiten-Station fertigt. „Dies ist unserem Hauptprodukt geschuldet, bei dem nur vier bis fünf Seiten zu bearbeiten sind“, begründet der Inhaber. „Zudem haben wir es geschafft, die ganze Bearbeitung so zu programmieren, dass das Bauteil in einer Spannung fertig ist.“ Entscheidend bei der Schraubstockautomation ist für ihn somit die flexible Handhabung er komplexen Teile. Dass die 6-Seiten-Bearbeitung tadellos funktioniere, würde das Beispiel Nutensteine zeigen. „Hätten wir hier nicht die 6-Seiten-Station, hätten wir alle 200 Teile noch einmal anfassen müssen. So aber lagen sie fertig in der Schublade.“ Bei schwierigen Teilen, die hochpräzise zu fertigen sind, empfiehlt Andreas Brunhofer bei der 6-Seiten-Bearbeitung das Tasten auf der zweiten Seite: „Zugleich kann das Teil abgefangen werden, sodass es sich immer zu 100 % auf der Plananlage befindet“, so der Produktspezialist Automation bei Gressel weiter. „Nicht zuletzt ist es ganz wichtig, dass die Reinigung in der Maschine erfolgt.“ In dieser Konstellation hat Fichtner wiederum bei neuen Teilen stets die Option zur mannlosen Komplettbearbeitung.
Nahezu blindes Vertrauen
„Wir sind mit der Automatisierung sehr zufrieden“, resümiert der Inhaber nicht überraschend. „Sie ist leicht zu bedienen, erfordert kein Teachen des Roboters, nicht einmal besondere steuerungs- oder programmiertechnische Kenntnisse.“ Die Reihenfolge bei der Bearbeitung sei immer gleich, was durch die Software von Spinner Automation abgebildet werde. „Fertigen wir etwas Neues, gehen meine Mitarbeiter inzwischen fast mit blindem Vertrauen durch.“ Die einfache Handhabung treffe auch auf die Schraubstockautomation zu. „Für mich ist sie das Non plus ultra. Mit ihr lassen sich viele Teile unterschiedlicher Form und Größe sehr gut handhaben. Und ich muss nicht für jedes Teil etwas basteln. Deshalb wollte ich die Zelle.“ Inzwischen bekommt er auch von Kollegen Anfragen, die keine Automatisierung haben, aber 1000 Teile fertigen müssen. Mit seiner Automation kann Fichtner dies kostengünstig durchlaufen lassen und sich breiter aufstellen. Insbesondere kann er Teile übernehmen, von denen er früher aufgrund der Handhabung die Finger lassen musste.