Hochautomatisierte Kleinteilefertigung
Werkstückspannen im Kreislauf intelligenter Konnektivität
In großen Unternehmen ist die Umstellung traditioneller Zerspanungsabläufe auf Industrie-4.0-konforme Prozesse längst im Gang. Ziel ist es, das Potenzial der digital vernetzten Fertigung auszuschöpfen. Dazu gehört, dass einzelne Prozessteilnehmer auf der Basis digitaler Daten autonom Entscheidungen treffen. Bei Krones Nittenau leistet das ein Fertigungskonzept, das mit Spanntechnik von Gressel arbeitet.
Krones mit Stammsitz in Neutraubling gilt als Weltmarktführer bei der Planung, Entwicklung und Fertigung von Prozess-, Abfüll- und Verpackungstechnik sowie Intralogistik. Weltweit werden jeden Tag zig Millionen Flaschen, Dosen und Formbehälter mit Krones-Anlagen verarbeitet, vor allem in Brauereien, der Soft-Drink-Branche, bei Wein-, Sekt- und Spirituosenherstellern, aber auch in der chemischen, pharmazeutischen und kosmetischen Industrie.

Dreistufenplan für die Großteilefertigung
In Deutschland produziert Krones mit rund 9.000 Mitarbeitern an fünf Standorten. Einer davon ist Nittenau in der Oberpfalz, wo Groß- und Kleinteile von Maschinen und Anlagen für das Stammwerk hergestellt werden. Um auch langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, investierte Nittenau 2021 in der Großteilefertigung in eine moderne Großbearbeitungsanlage für das Drehen und Fräsen. Die Investition reihte sich ein in eine 2018 gestartete Reorganisation des kompletten Fertigungsbereichs, die als Investitionsprogramm drei Stufen umfasst. Den ersten Schritt des Programms hatte Krones Nittenau Ende 2020 mit der Inbetriebnahme einer neuen Laserschweißanlage abgeschlossen, was die Optimierung vor- und nachgelagerter Prozesse und die Neuordnung des Materialflusses mit beinhaltete. In den kommenden Jahren wird mit Phase drei die Inbetriebnahme weiterer Dreh- und Fräsanlagen erfolgen.

Investition mit Weitsicht
Parallel zum Programm für Großteile investierte Krones Nittenau ab 2021 auch massiv in die Kleinteilefertigung, wo Komponenten zwischen 5 und 1.250 mm Größe hergestellt werden. Verbunden mit diesen Investitionen sind weitreichende Automatisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen, mit denen auch künftig die termingetreue Versorgung mit hochwertigen Teilen gesichert werden soll. Wie bei der Produktion von Großteilen läuft dies in der Kleinteilefertigung in mehreren Schritten ab. „Wir haben einen Plan bis 2028 entworfen, der aus mehreren Steps besteht“, umreißt Abteilungsleiter Vitali Schmidt das Szenario. „Begonnen hat die Umsetzung mit einem hochautomatisierten Fertigungskonzept, dessen wesentliche Komponenten Fräsmaschinen, Spannmittel und fahrerlose Transportsysteme sind. Dass wir uns hier für Spannsysteme von Gressel entschieden haben, begründet sich unter anderem mit dem nächsten Schritt. Hier werden wir in Richtung Drehbearbeitung mit den gleichen Spannsystemen gehen. Insofern sind sie eine Investition mit Weitsicht.“

Eine Kette starker Glieder
Vor der Modernisierung war im Fräsbereich von Krones Nittenau klassisch gefertigt worden: „Wir haben auf Paletten vorgerüstet, diese an die Maschine gebracht und per Kran hineingehoben“, schildert Schmidt. Zwischenzeitlich waren zwar die Leistungsstunden aufgenommen und mit einem separaten Rüstplatz sowie optimierten Abläufen die Stundenzahl erhöht worden, nun aber war das Konzept ausgereizt. Gesucht war ein Ablauf, mit dem noch weniger an der Maschine gerüstet wird und die Mitarbeiter nicht mehr durch das Rüsten gebunden sind. Möglich war das nur per Automatisierung. Mit diesem Ansatz entstand schließlich ein Konzept aus zehn 5-Achs-BAZ „G550“ von Grob, einer Flotte fahrerloser Transportsysteme (FTS) „Agilox“ für das Werkstück- und Werkzeughandling sowie einer ganzen Reihe von Spannsystemen von Gressel. „Damit haben wir heute nicht mehr den klassischen Bediener an der Maschine“, schätzt Schmidt schon mal ein. Und weiter: „Drastische Veränderungen gab es außerdem in der Arbeitsvorbereitung. Heute muss alles 100-prozentig vorbereitet sein. Die Programme müssen zu 100 % stimmen, jede Schraube, jeder Schraubstock ist im Vorfeld zu zeichnen. Das ist eine große Herausforderung für die Programmierer.“



Zwei Fünftel mehr Output
Neben dem Rüsten wollte Krones Nittenau mit der Umstellung vor allem zwei Punkte erreichen. Zuallererst soll die Maschinenlaufzeit weiterhin signifikant erhöht werden. „Im ersten Schritt ist eine Steigerung von 3.500 auf 5.500 h geplant“, konkretisiert der Abteilungsleiter. „Im zweiten Schritt wollen wir auf 6000 h kommen, auf fast 40 % mehr Output sowie eine beträchtliche Kostensenkung, um im internationalen Wettbewerb weiterhin mithalten zu können.“ Der zweite Punkt ergibt sich aus Mitarbeiterfluktuation und Fachkräftemangel. Wie in der alten Fertigungswelt wird Krones auch in der neuen dreischichtig arbeiten. „Möglicherweise werden wir schon im kommenden Jahr Nachtschichten ohne Personal fahren“, kündigt Schmidt an. „Anfangs wird dann zwar noch ein Mitarbeiter vor Ort sein, der die Teile umspannt, ein Anlagenführer ist aber nicht mehr erforderlich. So wollen wir die Kosten pro Stunde zu senken – zusätzlich zur Erhöhung des Outputs an der Maschine.“
Erster Kreislauf: Werkzeuge
Gestartet werden die Aufträge heute ab einem Anlieferplatz für gesägte Teile. Nun überprüft ein Leitsystem, ob alle benötigten Werkzeuge in der Maschine sind. Ist dies nicht der Fall, wird das Set zusammengestellt. Zum Beispiel von einer anderen Maschine, die das Werkzeug im Augenblick nicht nutzt. Ein Agilox holt dieses Werkzeug dann genauso auf die erste Maschine wie weitere Werkzeuge aus der zentralen Voreinstellung. Hierhin war vorher der verbliebene Bedarf automatisch abgesetzt worden. Sobald ein FTS die voreingestellten Werkzeuge abgeholt und an die Maschine 1 gebracht hat, ist die Werkzeugbeladung abgeschlossen. „Die Fertigung selbst läuft standzeitüberwacht, wofür das System ebenso die Reststandzeit bereits verwendeter Werkzeuge berücksichtigt“, beschreibt Schmidt. „Je nach Bearbeitungszeit einer Operation bestellt das System automatisch ein Duplo-Werkzeug, das die verbliebene Bearbeitung sicherstellt. Auch hier wird geprüft, ob ein Werkzeug aus einer anderen Maschine übernommen werden kann, oder ob ein neues aus der Werkzeugvoreinstellung erforderlich ist.“ Ist der Auftrag abgearbeitet, bleiben die Werkzeuge im Normalfall zwei Tage in der Maschine. Schließlich kann ein neuer Auftrag kommen, vielleicht sogar für das gleiche Teil, für den das Werkzeug benötigt wird. Werkzeuge, die länger als zwei Tage ohne Bedarf sind, werden sukzessive aus der Maschine ausgelagert und von einem FTS mit dem Vermerk der Reststandzeit in die Voreinstellung zurückgebracht.

Zweiter Kreislauf: Werkstücke
In einem zweiten Kreislauf handelt eine weitere Agilox-Flotte die Werkstücke. Nachdem sie am Rüstplatz aufgespannt wurden, bringt ein FTS die Palette zu Maschine 1. „Hier wird sie in einen Pufferspeicher mit neun Plätzen eingelagert und gleichzeitig in das interne System aufgenommen“, erläutert Schmidt. „Das System ermöglicht es dann, Teile je nach Bedarfstermin mit unterschiedlichen Prioritäten aus dem Puffer heraus fertigzustellen.“ Nach der Bearbeitung geht das Teil in die Kontrolle. Ist hier alles in Ordnung, läuft das System erneut an und bringt die Palette mit dem nächsten Teil. Wie viele Teile in welchem Zyklus geprüft werden, lässt sich flexibel festlegen. Gefertigt werden auf diese Art alle Teile, die von den Verfahrwegen und Spannmöglichkeiten her umsetzbar sind, seien sie aus Aluminium, Messing bis hin zu Edelstahl. Dabei kommen Losgrößen zwischen 1 und 50, häufig zwischen 1 und 30, auf die Maschinen. „Mehr wollen wir nicht fahren, was der Durchlaufzeit geschuldet ist“, betont der Abteilungsleiter. „Weil die Zahl ungleicher Teile, die durchgeschleust werden, sehr hoch ist, ist das einfache, schnelle Umspannen das A und O.“
Große Variabilität abgebildet
„Die Spannmittel, die wir zum Einsatz gebracht haben, bilden diese große Variabilität ab“, unterstreicht Vertriebstechniker Sokha Hem von Gressel. „Außer Pyramiden, ,C2‘-Zentrischspanner sowie ,Gredoc‘-Nullpunktmodule und -Platten gehören dazu 5-Achs-Spanner ,SC5X‘, ,S2‘-Festbackenspanner, Aufspanntürme und ,D2‘-Doppelspannertürme.“ Die Zusammenarbeit, insbesondere die Ausarbeitung der Spannaufgaben, sei äußerst konstruktiv und partnerschaftlich gewesen. Der erste Effekt, den Krones Nittenau mit den Systemen erreicht, ist die beabsichtigte Rüsteffizienz, die mit Eigenschaften wie Backen- und Spindelschnellwechsel oder Spannbereich-Schnellverstellung einhergeht. „Hinzu kommt die hohe Stabilität der Spannmittel, die zusammen mit der Stabilität der Maschine unabdingbar für Präzision ist“, so Hem. Die Notwendigkeit begründet Schmidt: „Eine Maschine ist nur so gut wie ihr Spannmittel. Wir aber fertigen viele Teile im Hundertstelbereich. Dafür sind die hohe Stabilität und Wiederholgenauigkeit der Gressel-Systeme ebenso erforderlich wie die hohen Einzugskräfte, die für das sichere Fixieren sorgen.“ Zum Gesamtpaket habe schließlich auch der Preis gepasst, verrät der Abteilungsleiter.



Entscheidend für Krones ist zudem die Vereinheitlichung, die mit den Spannmitteln einhergeht. Nittenau hat die Gressel-Systeme mittlerweile als Standard beim Fräsen definiert. Bald soll das Drehen folgen, womit speziell das Nullpunktspannsystem auf allen Maschinen eingesetzt wird. Darüber hinaus soll mit den Spannmitteln künftig auch im Hauptwerk in Neutraubling gefertigt werden. „Wir wollen Teile, die dort hergestellt werden, auf Knopfdruck bei uns bearbeiten können. Das geht allerdings nur, wenn die Spannmittel die gleichen sind.“ Vereinheitlichung spielt nicht zuletzt für das Ausland eine Rolle. Zum Beispiel für Amerika, wo sie das Ersatzteilgeschäft beeinflusst. Indem identische Fertigungsmittel international ausgerollt werden, lassen sich Teile problemlos im Ausland fertigen. Schmidt kommt damit zum Grundansatz zurück: „Das ganze Konzept ist auf Automatisierung ausgelegt. Damit liegt der Fokus auf dem reibungslosen Zusammenspiel der einzelnen, digitalisierten Komponenten. Die Systeme von Gressel sind dafür eine Bank.“
